KRIEG
Ich weiß nicht, welche Waffen im nächsten Krieg zur Anwendung kommen, wohl aber, welche im übernächsten: Pfeil und Bogen. Albert Einstein
ZEITENWENDE
Die Aussagen der Naturwissenschaft „kann ein vernünftiger Mensch nicht lesen, ohne das Ungeheure zu spüren. Sie haben das Menetekel für die Menschheit an die Wand geschrieben.“ Jetzt „kann die Menschheit im ganzen durch Menschen vernichtet werden. Daß dies geschieht, ist nicht nur in den Bereich der Möglichkeit getreten. Es ist für rein rationale Erwägung wahrscheinlich, daß es geschehen wird. Das zu sagen scheint unbesonnen. Wir zögern. Wir müssen prüfen.“ „Daß das Wissen um die Wahrscheinlichkeit des totalen Untergangs wirksam wird, ist der einzige Weg, über den das heute Wahscheinliche schließlich unwahrscheinlich und gar unmöglich werden könnte.“ S.21
Zwar weiß ich davon, wenn ich danach gefragt werde, aber ich meine, es hat noch Zeit. Nein, es ist nicht viel Zeit.
„Wie kann man ruhig bleiben, wenn man das Unbezweifelbare hört! In dieser Situation ist es wenig, aber Voraussetzung für alles Weitere, nachzudenken: sich zu orientieren - zu sehen, was geschieht - das Mögliche, die Folgen der Ereignisse und Handlungen zu vergegenwärtigen - die Situation in den sichtbar werdenden Richtungen zu erhellen - schließlich zu erfahren, daß die neue brutale Tatsache unser Denken bis in den Grund des Menschseins treibt, dorthin, wo zur Frage wird, was der Mensch ist und sein kann. Die Grundsituation des Menschen ist, daß wir uns in der Welt finden und nicht wissen: woher und wohin. Diese Situation wird durch die Möglichkeit der totalen Selbstvernichtung anders als früher bewußt. Denn sie zeigt eine Seite, an die vorher niemand gedacht hat. Wir müssen uns unserer selbst in der neuen Situation vergewissern. Mit unserer Vernunft vermögen wir zwar die letzten Gründe nicht zu erreichen, wohl aber das Sein für uns und, was wir wollen, zu klären.“
Die Atombombe, als dem Problem des Daseins der Menschheit schlechthin, ist nur ein einziges anderes Problem gleichwertig: die Gefahr der totalitären Herrschaft […] mit ihrer alle Freiheit und Menschenwürde vertilgenden terroristischen Struktur. Dort ist das Dasein, hier das lebenswerte Dasein verloren. An beiden äußersten Möglichkeiten kommen wir heute zum Bewußtsein dessen, was wir wollen, wie wir leben möchten, wozu wir bereit sein müssen. Beide Probleme scheinen schicksalsgemäß zusammenzugehören. Sie sind wenigstens praktisch untrennbar miteinander verbunden. Das eine ist nicht ohne das andere zu lösen. Die Lösung beider aber fordert Kräfte des Menschen, die aus solcher Tiefe hervortreten müssen, daß er selbst in seiner sittlich-vernünftig-politischen Erscheinung sich wandelt in einem Maße, daß es der Wendepunkt der gesamten Geschichte würde.“ „Ablenkend wirkt, daß die Aufmerksamkeit auf Nebentatsachen gelenkt wird, die zwar von bedenklicher Natur, aber nicht von absoluter Bedeutung sind.“ „Vergessenheit bewirkt das Befangensein im augenblicklichen Wohlergehen wirtschaftlicher Prosperität. […] Sie könnten nur überwunden werden durch eine totale Besinnung, die zunächst im einzelnen Menschen die Umkehr erzeugt. Die Menschheit könnte durch sie ergriffen werden wie von einer Welle nicht bloß der Sorge, nicht bloß der Empörung gegen alles, was zum Untergang treibt, sondern auch des vernünftigen Willens. Dieser würde das Ganze unseres Menschseins, unseres Lebens, unserer Antriebe überprüfen. Aus dem ewigen Ursprung könnte neu beginnen, was wir sein sollen, um des Lebens wert zu sein. Erst wenn das Bewußtsein des neuen Faktums auf das Leben Einfluß gewänne, könnten auch die gewohnte Politik, ihre Interessen und Ziele, sich in eine neue Politik verwandeln, die der vernichtenden Drohung gewachsen ist.“
Heute sehen wir uns unausweichlich im Schatten der großen Katastrophe. Eine noch keineswegs durchdachte reale Möglichkeit zu behandeln, als ob sie verschwinde, wenn man sie ausschlösse, ist wie das Verhalten des Vogels Strauß. Daß jene Katastrophe ständig als Möglichkeit, ja, Wahrscheinlichkeit vor Augen steht, ist heute eine gewaltige Chance für die Selbstbesinnung überhaupt und zugleich die einzige Chance für die politische Erneuerung und damit für die Abwehr der Katastrophe. Um was es sich hier handelt, sollte in den Alltag aller Menschen dringen als Aufforderung zur Besinnung. Hier liegt der Horizont des realen Geschehens, in den wir uns stellen müssen. Wir dürfen nicht bloß erleiden, was kommt. Das Nichtwissenwollen ist selber schon das Unheil.“ „Unsere Hoffnung ist, daß alle Menschen es wissen werden, und daß dieses Wissen angeeignet wird und dann Folgen hat. Denn das aneignende Wissen kann allein das Unheil verhüten. Es ermöglicht nicht nur vereinzelte zweckmäßige Handlung, vielmehr daß der Mensch sich selbst und sein Leben wandelt, daß seine Grundverfassung neu geprägt wird.“(S.24)
„Die Naherwartung dieses Endes noch für die damals lebende Generation war der sittlich-religiös wirksame Irrtum Johannes' des Täufers, Jesus' und der ersten Christen. Jetzt aber stehen wir vor der realen Möglichkeit eines solchen Endes. Nicht mehr ein fiktiver Weltuntergang, überhaupt kein Untergang der Welt, sondern die Tötung allen Lebens auf der gesamten Erdoberfläche ist die mögliche Realität, mit der von nun an zu rechnen ist, und zwar - bei dem wachsenden Tempo aller Entwicklungen - schon in naher Zukunft.“ [1958] „Was man vielleicht im Augenblick nicht bezweifelt, läßt man doch als so Ungeheuerliches nicht in sein Herz dringen. Wir ertappen uns, wie wir das, was gewiß ist, doch nicht eigentlich als gewiß nehmen. Dann aber wissen wir von der Tatsache noch nicht. Denn Wissen heißt hier, sich zu überzeugen, daß es sich um das für uns äußerste Faktum handelt, von dem her alles, was wir sind und sein können, gleichsam in einen anderen Grundzustand versetzt werden müßte. Man möchte fragen: Wenn die ersten Christen an das Weltende glaubten und dessen gewiß waren, ohne es zu wissen, sondern sogar irrend - muß man dann heute das, was man weiß, auch noch glauben, damit es, als Wirklichkeit angeeignet, ein Moment der Lebenspraxis wird? Man läßt es stehen, als ob es einen nichts angehe, da es ja in diesem Augenblick, hier und jetzt, noch nicht akut ist.“ (S. 22)
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Maßlosigkeit - Artensterben - Klimawandel - Pandemien Krieg - Hunger - Massenflucht
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„Spätestens mit dem russischen Krieg in der Ukraine ist klar geworden, was es mit den Krisen wirklich auf sich hat: Sie kommen nicht mehr einzeln, sie sind kumulativ, mitunter exponentiell, sie interagieren, verstärken sich teils gegenseitig, und sie werden so bald nicht enden.“ „Wer jedoch wirklich an die innere Weisheit der Demokratie glaubt, der wird auf noch viel mehr und vielleicht auch [auf] Lösungen hoffen, sobald Politik und Öffentlichkeit die Menschen wirklich konfrontieren und ihre Kreativität wecken und es endlich aufgeben, den Leuten zu verheimlichen, wie groß eigentlich das Problem ist, wie die Aufgabenstellung lautet und an welchem Punkt der Geschichte wir uns befinden. Es ist, so viel scheint klar, ein Endpunkt. Ob es auch ein Anfangspunkt sein wird, das ist offen.“ Bernd Ulrich (ZEIT 13/2022)
XARA
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