KATEGORIEN (K)
1861 - 1947
ALFRED NORTH WHITEHEAD
METAPHYSIK
15. Februar 1861 - 30. Dezember 1947
WHITEHEADSCHE
KOSMOLOGIE
PHILOSOPHISCHE
/
UMFASSENDES IDEENSCHEMA ,
das alle bisherigen und noch möglichen menschlichen Erfahrungsbereiche umfasst umfassend - überwölbelnd - durchdringend - durchscheinend
NATURWISSENSCHAFTEN
GEISTESWISSENSCHAFTEN
ÄSTHETIK
POLITIK / INSTITUTIONEN
Innere Verbundenheit der Erfahrungsbereiche
KATEGORIEN / PRINZIPIEN
Hilfsmittel um jede Art von Erfahrung zu interpretieren
RATIONAL LOGISCH KOHÄRENT (ZUSAMMENHÄNGEND) WIDERSPRUCHSFREI
EMPIRISCH ERFAHRUNGSBEZOGEN ADÄQUAT
Eine Metaphysik ist eine Beschreibung. Ihre Diskussion mit dem Ziel, ihre Genauigkeit aufzuklären, ist notwendig, aber sie bleibt der Beschreibung äußerlich. Die Kriterien der Genauigkeit sind logische Kohärenz, Adäquanz und Exemplifikation. Eine metaphysische Beschreibung hat ihren Ursprung in einem gewählten Interessengebiet. Sie wird dadurch bestätigt, daß sie sich als angemessen und als in anderen Interessengebieten exemplifiziert ausweist. Whithead - Wie entsteht Religion? - S. 69
Whitehead verweigert sich der Trennung von Geistes- und Naturwissenschaften und wurde damit anregender Bezugspunkt für die unterschiedlichsten Disziplinen, von der Religionsphilosophie über die Theologie (Prozeßtheologie) bis hin zur Biologie und Ökologie.
Witheheads Denken enthält im Überfluß was menschliche Denken und Handeln weiterbringt: »Metaphern, die stumm auf ein Überspringen der Phantasie warten.«
Kategorien sollen Aspekte der traditionellen Metaphysik als auch der Naturwissenschaften umfassen.
Traditionell besteht ein Vorrang der Beständigkeit des Seins gegenüber seiner Veränderlichkeit.
Whitehead: Das Sein ist grundsätzlich vom Werden bestimmt. Der Prozess ist das Urprinzip des Wirklichen.
1861 - 1947
K. des ELEMENTAREN
K. der EXISTENZ Die Klassen und Zusammenhänge der aktualen Entitäten vom einfachsten Seienden bis zu Gott
K. der ERKLÄRUNG Beschreibung der Elementarereignisse
Kategoriale BEDINGUNGEN (Verbindlichkeiten) im Möglichkeitsraum von Werden und Vergehen
Aus der Vielheit der im Universum bestehenden Entitäten werden neue Einheiten entfaltet, die die Vielfalt der Entitäten um neue Elemente vermehren. Kreativität ist der allgemeinste Begriff, mit der Wirklichkeit beschrieben werden kann. Sie ist keine Entität und existiert nur, insofern sie sich in einzelnen Entitäten manifestiert. Kreativität ist reine Aktivität, die nicht weiter charakterisiert werden kann. Sie stellt das oberste Prinzip der Ordung und das alles Existierende verbindende Element dar.
KREATIVITÄT
KREATIVITÄT
VIELES
ALFRED NORTH WHITEHEAD
KATEGORIEN
EINES
Das Kategoriensystem dient dazu, die Einzelphänomene der Wirklichkeit im Gesamtzusammenhang der Natur zu interpretieren. Die »Einzelwesen« stehen in den unterschiedlichsten, sich gegenseitig beeinflussenden Relationen zueinander und stellen im Prozeß der Realität immer neue und nicht vorhersehbare Beziehungen untereinander her.
Jede Erklärung sollte ein spezifischer Fall von Kategorien der Erklärung sein.
Jedes Einzelwesen sollte ein spezifischer Fall einer Kategorie der Existenz sein.
Jede Bedingung sollte ein spezifischer Fall der kategorialen Verbindlichkeiten sein.
Einzigartigkeit eines Einzelwesens
Trennend Verschiedenheit
KATEGORIEN DER
Aktuale ENTITÄTEN (oder Geschehnisse) sind die der Kreativität zugrundeliegenden Prozesseinheiten. Sie sind die nicht weiter hintergebaren Fakten der Wirklichkeit.
Für jede aktuale Entität (vom einfachsten Seienden bis zu Gott) gilt dasselbe Seinsprinzip. Alles was wirklich ist, muss eine aktuale Entität sein. Unterschiede gibt es hinsichtlich ihrer Bedeutung und Funktion.
Die Gegenstände des Alltags im Makro- und Mesokosmos sind Gemeinschaften von aktualen Entitäten.
EXISTENZ
AKTUALE ENTITÄTEN
Jede aktuale ENTITÄT steht selbst wieder als Wirk- und Zweckursache für werdende Entitäten zur Verfügung.
IMMANENTE VERWOBENHEIT DES UNIVERSUMS
PHILOSOPHY OF ORGANISM
Indras Netz, ein unendliches Netz bei dem an jedem Kreuzungspunkt sich ein Juwel befindet, das alle anderen Juwelen im Netz reflektiert. Eine Veränderung in einem Juwel bedeutet eine Änderung in jedem anderen Juwel.
Das Wirkliche setzt sich nicht aus träger, empfindungsloser Materie zusammen, sondern aus „wirklichen Einzelwesen“ (actual entities). Sie sind die letzten realen Dinge, aus denen die Wirklichkeit zusammengesetzt ist. Eine aktuale Entität ereignet sich, sie geschieht als Prozeß.
Gott ist ebenso ein wirkliches Einzelwesen wie ein Mensch, eine Zelle oder ein Elektron. Man kann das Einzelwesen nicht aus ihrer Umgebung herauslösen, ohne ihr innerstes Wesen zu zerstören. Ein Elektron bedarf des positiven und negativen Erfassens anderer Elementarteilchen, d.h. anderer Einzelwesen. Nur durch das Vorhandensein anderer Einzelwesen kann sich der auf dem Erfassen fußende Prozess eines anderen Einzelwesens realisieren. Der Kosmos konstituiert sich aus Prozessen, nicht aus trägen Substanzen.
Im wirkliches Einzelwesen ereignet sich ein Ineinandergreifen der untrennbaren physischen und geistigen Pole. Die Wirklichkeit zeigt aber auch eine graduelle Ordnung. Größeres Bewußtsein ergibt sich mit zunehmender Kompexität.
Die [Menschen] sind die primären Einheiten der tatsächlichen Gemeinschaft – und die Gemeinschaft setzt sich aus den Einheiten zusammen. Jede Einheit hat jedoch einen Bezug zu jedem anderen Mitglied der Gemeinschaft, so dass jede Einheit ein Mikrokosmos ist, der in sich das gesamte allumfassende Universum darstellt.“ Whitehead, Body and Spirit” 1926
ZEITLOSE GEGENSTÄNDE - REINE POTENTIALE
WIRKLICHE EINZELWESEN (AKTUALE ENTITÄTEN - EREIGNISSE) - LETZTE REALITÄTEN
Erfasste Informationen, oder konkrete Tasachen des Bezogenseins
Nexūs (Plural von Nexus), oder öffentliche Sachverhalte Gruppierung von wirklichen Ereignissen
Subjektive Formen, oder private Sachverhalte
Aussagen, oder Sachverhalte in potentieller Bestimmung oder unreine Potentiale für die spezifische Bestmmung von Sachverhalten, oder Theorien
Vielheiten, oder reine Getrenntheiten von verschiedenen Einzelwesen
Kontraste, oder Arten der Synthese von Einzel- wesen in einem Erfassen, oder in Muster angeordnete Einzelwesen
vorläufigen Charakter
mit extremer Entgültigkeit
mit extremer Entgültigkeit
WIRKLICHE EINZELWESEN
Die konkretesten Elemente der Welt
Aufbau komplexer Formen im geschichtlichen Prozess
Der Natur innewohnende Dynamik
Steigerung der Intensität der Einzelwesen im evolutionären Prozess, im gegenseitige Erfassen (Prehensionen) und Beeinflussen.
Passive, rein physikalisch, kausale Wirkungen, Produkte der Umweltbedingungen
Komplexe ineinander greifende „Erfahrungströpfchen“
Geistigen Pol der teleologischen Gründe
Netz aus Einzelwesen
KATEGORIEN DER
ERKLÄRUNG
Die wirkliche Welt ist ein Prozeß, ein Werden von wirklichen Einzelwesen (Geschöpfe - „wirkliche Ereignisse“).
Im Werden wird die reale Einheit von Einzelwesen erreicht, die sich vorher im Zustand trennender Verschiedenheit befanden.
Im Werden entstehen neu erfasste Informationen, Nexūs, subjektive Formen, Aussagen, Vielheiten, Kontraste, jedoch keine neuen zeitlosen Gegenstände.
In jedem „Seiende“ ist das Potential für jedes „Werdende“ gegeben um sich zu einer Wirklichkeit zu konkretisieren. Die zeitlosen Gegenstände sind für alle wirklichen Einzelwesen gleich. Der Nexus von ihnen in dem konkretisierten Universum ist die „wirkliche Welt“.
Jedes Einzelwesen wird tatsächlich nur auf eine Weise so einbezogen, dass seine bedingte Unbestimmtheit in der realen Konkretisierung bestimmt wird („reale Potentionalität“).
Ein zeitloser Gegenstand kann nur mit Hilfe seiner Potentialität des „Eintretens“ in das Werden wirklicher Einzelwesen beschrieben werden.
KATEGORIEN DER
Beide spielen eine zentrale Rolle in der KONKRESZENZ. Entitäten sind ohne die ewigen Gegenstände nicht denkbar, denn sonst fehlen dem Wirklichen seine Bestimmugsform.Auch die ewigen Gegenstände sind nicht völlig losgelöst von den aktualen Entitäten. Kategorien der Existenz benennen als Klasse des Seienden die Grundelemente der Realität. Hierzu gehören: Wirklichen Einzelwesen bzw. wirklichen Ereignisse, Relationen bzw. Informationen, Zusammenhänge (Nexus), Formen, Kontraste, Zeitlose Gegenstände als reine Potenziale
Zwischen der Kategorie der letzten Realitäten (Aktuale Entitäten) und der ewigen Gegenstände bilden die subjektiven Ziele die vermittelnde Kategorie der PROPOSITIONEN. Sie sind weder reine Möglichkeit noch reine Wirklichkeit (propositionale Einheit). Die subjektive Einheit ist auf der Suche nach ihrem Wahrheitswert. Im Laufe der KONKRESZENZ wird die propositionale Einheit durch die reale Einheit des Subjekts abgelöst, da es zur Verwirklichung gewisser Möglichkeiten kommt. Die Hauptfunktion der Proposition ist es als Anreiz zur Verwirklichkung der Möglichkeiten zu gelangen.
Aktuale Entitäten - Ewige Gegenstände (eternal objects)
Durch die "ewige Gegenstände" erhalten die aktualen Entitäten die "universalen" Bestimmungen. Eternal objects gehen in die aktualen Entitäten ein und sind damit auch der temporalen Welt immanent. Ein unendlicher kreativer Prozess verlangt nach einer unerschöpflichen Quelle an reiner Potentialität. Es muss also unendlich viele ewige Gegenstände geben, die ihrem Wesen nach als reine Möglichkeiten zeitlos und unveränderlich sind, so dass keine neuen ewigen Gegenstände entstehen können. Das Gegebene ist die Realisierung einer Möglichkeit. Das Subjekt entscheidet in Freiheit, wie das Vorgegebene verarbeitet wird. Die ewigen Gegenstände sind reine Potentialitäten für die Wirklichkeit, die in der Konkreszenz verwirklicht werden können. Alles Wirklichsein ist Realisierung von Möglichkeiten in Form von ewigen Gegenständen. Ewige Gegenstände gehen in die aktuale Entität ein, aber auch die aktualen Entitäen brauchen die formalen Bestimmtheiten, um in der Konkreszenz das zu werden, was sie am Ende sind. Nur wenn neue Formen eintreten, entsteht auch eine neue Wirklichkeit. Ohne sie würde die Welt erstarren.
EXISTENZ
DER SCHÖPFERISCHE PROZESS
Die feste Erde überlebt, weil der Kreativität eine Ordnung auferlegt ist. In dieser komplexen Ordnung findet die kreative Energie Sekunde für Sekunde, . . . Zeitalter für Zeitalter ein Zentrum des Wahrnehmungsvermögens, welches das Universum zu einer Einheit fokussiert. Die feste Erde überlebt, weil das Universum ein Prozeß ist, der Fälle eindeutiger Erfahrung aus seinen eigenen Elementen bezieht. Jeder dieser Fälle umfaßt das Ganze, wobei nichts weggelassen wird, weder eine ideelle Form noch eine wirkliche Tatsache. Der schöpferische Prozess läßt sich also in jenem Übergang erkennen, durch den ein bereits wirkliches Ereignis in die Geburt eines anderen Falles von Werterfahrung eingeht. Es gibt keinen geradlinigen einfachen Übergang von Ereignis zu Ereignis, obwohl eine Linie verherrschen kann. Die ganze Welt wirkt zusammen, um eine neue Schöpfung hervorzubringen. Sie bietet dem Schöpfungsprozeß seine Gelegenheiten und seine Begrenzungen. Das Neue, das in den abgeleiteten Fall eingeht, ist die Information der wirklichen Welt mit einer neuen Gruppe von ideellen Formen. Der Zeitablauf ist im allerwörtlichsten Sinne die Renovierung der Welt mit Ideen. Whithead - Wie entsteht Religion? - S. 85 ff.
Es gibt in der Kreativität nichts, was nicht in die wirkliche Welt fließt. Auch Gott, der die Kreativität mit seiner Harmonie der Auffassung bedingt, fließt gemäß einer Vollkommenheit der Ideale als moralisches Urteil in das geistige Geschöpf ein. Die Ordnung der Welt ist kein Zufall. Nichts Wirkliches könnte ohne ein gewisses Maß an Ordnung wirklich sein. Die religiöse Einsicht ist das Ergreifen dieser Wahrheit: Daß die Ordnung der Welt, die Tiefe der Realität der Welt, der Wert der Welt in ihrer Ganzheit und in ihren Teilen, die Schönheit der Welt, die Würze des Lebens, der Friede des Lebens und die Meisterung des Übels alle zusammenhängen - nicht zufällig, sondern aufgrund dieser Wahrheit: daß das Universum eine Kreativität mit unendlicher Freiheit und eine Sphäre von Formen mit unbegrenzten Möglichkeiten aufweist; daß aber diese Kreativität und diese Formen auch gemeinsam nicht in der Lage sind, Wirklichkeit zu erreichen ohne die vollendete ideelle Harmonie, und diese Harmonie ist Gott. Whithead - Wie entsteht Religion? - S. 90
Jede aktuale ENTITÄT steht selbst wieder als Wirk- und Zweckursache für werdende Entitäten zur Verfügung. Natur ist ein organisches Beziehungsgefüge
IMMANENTE VERWOBENHEIT DES UNIVERSUMS
MATERIE
GEIST
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U
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K
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S
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L
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Wahrnehmungs-, Erfahrungs- und Erkenntnisprozesse Ein „Wahrnehmungsereignis" konstituiert nicht nur ein geistiges Phänomen, das der Natur irgendwie gegenübersteht, sondern ein Geschehen in der Natur. Im Denken besteht die Gefahr, dass wir das Empfinden der Verbundenheit aller „Faktoren" verlieren und meinen, der herausgehobene „Faktor" sei eine für sich unabhängige, substantielle „Seinsentität" (entity). Die Welt erscheint dann als Anhäufung von unabhängigen Dingen, die sich nur mehr äußerlich im Behälter von Raum und Zeit anstoßen.
Die Natur besteht nicht aus Dingen, sondern wird in Ereignissen und Ereigniszusammenhängen. Jedes Ereignis konstituiert sich aus der „Wahrnehmung" anderer Ereignisse, die das Ereignis als die Beziehungen eingehen, aus denen das neue Ereignis wird, was es ist. Die Natur besteht nicht aus passiven Partikeln, sondern aus Organismen, die sich in ihrer aktiven Wahrnehmung von Umwelt selbst konstituieren. Jedes Ereignis hat eine materielle und eine geistige Seite (dipolar). Die Ereignisse, die ein neues Ereignis konstituieren, bilden seinen physischen Pol; diejenigen Möglichkeiten, die den Entwicklungsraum eines neuen Ereignisses darstellen, seinen geistigen Pol. Beziehungsreiche Natur geschieht als bewegtes Beziehungsgefüge von werdenden und vergehenden Geschehnissen, die Zeit und Raum konstituieren: der physische Pol nimmt Vergangenheit wahr und auf, der geistige Pol Möglichkeiten der Zukunft . Alle Naturereignisse bilden einen Konnex aus Kausalität und Freiheit, weil sie sich kausal aus ihrer Vergangenheit herleiten, in ihren Möglichkeiten aber einen Freiraum zur Selbstbestimmung erhalten. Natur ist ein kreativer Prozess, hat eine nicht durch Gesetze rekonstruierbare Geschichte und gebiert einen nicht determinierbaren Überschuss an Neuheit.
F
R
H
E
I
T
KAUSALITÄ
BEDINGEN - DURCHDRINGEN - HERVORBRINGEN - WERDEN - VERGEHEN - BLEIBEN
DAS VERGEHEN DER ZEIT UND ZUGLEICH DAS WERDEN DES RAUMES - NATUR ALS EIN ORGANISMUS -Natur als ein kreativer Prozess - Naturereignisse entstehen aus einer engen Vergnüpfung von Kausalität und Freiheit. Kausal, weil sie sich aus ihrer Vergangenheit herleiten. Frei, weil sich für sie Freiräume zur Selbstbestimmung öffnen. Kreativ, weil sie einen nicht determinierbaren Überschuss an Neuheit gebiert. Zeit und Raum, Geschichte und Werdeprozesse, Kausalität und Freiheit, Subjektivität und Objektivität, Qualität und Quantität, Wert und Maß ergeben sich aus demselben Zusammenhang der Ereignisstruktur von Wirklichkeit. Geist und Materie stehen nicht in einem unversöhnter Gegensatz zueinander, sondern erscheinen als abgestuftes Unterschiedensein in der Organisationsform von Organismen, vom Mikrokosmos der Elementarteilchen über die „Lebendigkeit" biologischer Organismen bis hin zu geistiger Freiheit und Reflexivität im menschlichen Gehirn. Der vermeintlich immaterielle Geist ist essentiell mit der Leiblichkeit verbunden und aus der vermeintlich passive Materie entspringt Kreativität.
1861 - 1947
WIE ENTSTEHT RELIGION
Welche Faktoren in der menschlichen Natur, lassen in ihrem Zusammenwirken eine Religion entstehen? Mit dem Wandel des Wissens ist unausweichlich ein Wandel der Religion verbunden. Die Menschheit verändert ihre Haltung gegenüber der Religion ständig. Religion ist abhängig von der Auffassung jener beständigen Elemente, vermöge derer es in der Welt eine feste Ordnung gibt. Ohne beständige Elemente kann es keine veränderte Welt geben.
Welche Art der Rechtfertigung ist für den Glauben an religiöse Lehren statthaft?
Unbestrittene Wahrheiten (Lehrsätze)
2+2=4
Bezweifelte Lehrsätze der Religion
Arithmetik wendet man an!
Religiös ist man!
Die oberste religiöse Wahrheit, der sich niemand entziehen kann ist: Unser Charakter entwickelt sich gemäß unserem Glauben. Religion ist die Kraft des Glaubens, der die Innerlichkeit reinigt.
Die höchste religiöse Tugend ist daher die Aufrichtigkeit, eine durchdringende Aufrichtigkeit.
Definition Religion System von allgemeinen Wahrheiten, die eine Charakteränderung bewirken, sofern sie richtig eingehalten und lebhaft aufgefaßt werden.
Religion ist die Kunst und die Theorie des inneren menschlichen Lebens, sofern es von dem Menschen selbst und von dem abhängt, was an der Natur der Dinge beständig ist.
Die äußere Lebensführung (Umweltbedingt) bezieht ihre endgültige Qualität, auf der ihr Wert beruht vom inneren Leben
Zwar sind soziale Tatsachen von großer Bedeutung für jede Religion, weil es etwas wie absolut unabhängige Existenz nicht gibt. Aber das menschliche Wesen ist bewußt um seiner selbst willen mit sich allein.
Religion ist das, was das Individuum aus seinem eigenen Solitätsein macht.
3 Phasen der bis zur Erfüllung:
Übergang von Gott der Leere, zu Gott, dem Feind, zu Gott dem Gefährten.
Kollektive Begeisterung, Erweckungsbewegungen, Institutionen, Kirchen, Bibeln, Verhaltensnormen sind äußere Zeichen von Religion, ihre vergängliche Formen.
Religion sollte den individuellen Wert des Charakters auftauchen lassen. Aber Wert ist positiv oder negativ, gut oder schlecht.
Religion ist keineswegs notwendigerweise gut. Die Tatsache des Bösen zeigt, mit der Textur der Welt verwoben, daß in der Natur der Dinge eine abwertende Kraft wirksam bleibt.
4 Faktoren wie Religion in der menschlichen Geschichte äußerlich zum Ausdruck kommt.
RITUAL
GEFÜHL
GLAUBE
RATIONALISIERUNG
1861 - 1947
WIE ENTSTEHT RELIGION ?
4 Faktoren wie Religion in der menschlichen Geschichte äußerlich zum AUSDRUCK kommt.
RITUAL
GEFÜHL
GLAUBE
RATIONALISIERUNG
AUSDRUCK ist das äußere und sichtbare Zeichen einer inneren und spirituellen Gnade (ein grundlegendes Sakrament). Der primäre Ausdruck, die jedes Individuum zum Wissen aller beiträgt, kleidet sich hauptsächlich in die Medien des Handelns und der Worte, teilweise aber auch in das der Kunst. Ihre Ausdruckskraft für andere ergibt sich aus der Tatsache, daß sie sich mit Hilfe der Intuitionen der Empfänger interpretieren lassen. Ohne diese Interpretation bleiben die Ausdrucksformen akzidentielle, irrationale Vorfälle der bloßen Sinneserfahrung; kommt aber die Interpretation hinzu, dann erweitert der Empfänger seine Auffassung des geordneten Universums, indem er in die innere Natur desjenigen eindringt, der Urheber des Ausdrucks ist. Es besteht dann eine Intuitionsgemeinschaft aufgrund des Sakraments des Ausdrucks, das der eine angeboten und der andere empfangen hat. Aber das ausdrucksvolle Zeichen ist mehr als nur interpretierbar. Es ist kreativ. Es lockt die Intuition hervor, von der es interpretiert wird. Es kann nicht hervorlocken, was nicht da ist. . . . In theologischer Sprache wirkt das Zeichen ex opere operato, aber nur im Rahmen der Begrenzung, daß der Empfänger die kreative Wirkung zuläßt. Es gibt in der Welt nur sehr wenig wirklich originären Ausdruck. Damit meine ich, daß die meisten Ausdrucksformen responsiv sind, also Ausdrucksformen, die Intuitionen ausdrücken, welche durch die Ausdrucksformen anderer hervorgelockt wurden. So sollte es auch sein; denn auf diese Weise wird das, was beständig, wichtig und weitverbreitet ist, immer klarer definiert . Die Kulturgeschichte zeigt, daß Originalität des Ausdrucks kein kontinuierlicher Entwicklungsprozeß ist. Es gibt Vorphasen der langsamen Entwicklung. Schließlich, wie von einem Funken elektrisiert, drücken ganz wenige Personen. . . in irgendeinem besonderen Erfahrungsbereich ganz neue Intuitionen aus. Auf solche Intuitionen kann reagiert werden, man kann sie mit Hilfe ihrer Beziehungen zu anderen Ideen analysieren, mit anderen Erfahrungsformen verschmelzen, aber als individuelle, primäre Intuitionen innerhalb ihres eigenen Erfahrungsbereichs sind sie nicht überbietbar. Die zweite Eigentümlichkeit ist, daß ihre besondere Originalität genau das Element in ihrem Ausdruck bildet, das nicht in Formeln gepreßt wird. Sie befassen sich mit dem, was alle Menschen wissen, und sie machen etwas Neues daraus. Sie schenken der Welt keine neue Formel und entdecken auch keine neuen Tatsachen, aber indem sie ihre Weltauffassung ausdrücken, lassen sie ein Element des Neuen zurück - einen neuen Ausdruck, der für alle Zeiten die ihm angemessene Reaktion auslöst. Whithead - Wie entsteht Religion? - S. 99 ff.
TRADITIONEN
BUDDHISMUS
CHRISTENTUM
WISSENSCHAFT
Ähnliche moralische Normen
Lähmt eher den Sinn für aktive Persönlichkeit
Fördert eher den Sinn für aktive Persönlichkeit (Wichtigkeit des individuellen Erfahrungssubjekts)
Endliche Wahrheiten
RICHTUNGEN
Rationale Religion
Naturwissenschaften/Analytische Philosophie
Aufklärung/Idealismus
Christliche Dogmatik
Meditative Erfahrung
Philosophien der Achsenzeit
„Das endgültige Prinzip der Religion lautet, daß in der Natur der Dinge eine Weisheit liegt, aus der unsere praktische Ausrichtung und unsere Möglichkeiten der theoretischen Analyse von Tatsachen hervorgehen. Sie stützt sich . . . auf unseren Erfolg in verschiedenen Einzelwissenschaften . . . und auf unsere Erkenntnis der Unterscheidung geordneter Beziehungen, besonders in den ästhetischen Wertungen, die sich weit über alles hinaus erstreckt, was systematisch in Worten ausgedrückt worden ist.“ „Die Religion beharrt darauf, daß die Welt eine wechselseitig abgestimmte Ordnung von Dingen ist, was im Ergebnis zu ihrem Selbstwert führt.“ „Religionen begehen Selbstmord, wenn sie ihre Inspiration in ihren Dogmen finden.“ Aber die Dogmen sind, bei all ihrer Wahrheit, nur Aspekte des Wahren, die in Formen ausgedrückt werden, welche in mancher Hinsicht zu viel behaupten, in anderer Hinsicht das Wesen der Wahrheit verlieren.“ Whithead - Wie entsteht Religion? - S. 107,108
„Obwohl Dogmen also ihr unabänderliches Maß an Wahrheit haben, sind sie in ihren präzisen Formen eng, begrenzt und wandelbar: letztlich unwahr, wenn sie jenseits des spezifischen Rahmens ihrer Nützlichkeit angewandt werden. Ein System von Dogmen kann die Arche sein, in der die Kirche sicher auf der Flutwelle der Geschichte hinabtreibt. Aber die Kirche wird Schiffbruch erleiden, wenn sie nicht ihr Fenster öffnet und die Taube hinausläßt, um nach einem Olivenzweig zu suchen . . . . Der Niedergang von Christentum und Buddhismus als bestimmende Einflüsse des modernen Denkens beruht zum Teil auf der Tatsache, daß sich jede der beiden Religionen übermäßig von der anderen abgeschirmt hat. Die selbstgefällige Pedanterie der Gelehrsamkeit und die Blauäugigkeit unwissender Zeloten haben gemeinsam dazu geführt, daß sich beide Religionen in ihren eigenen Denkformen abschotteten. Anstatt sich umeinander zu kümmern, gemeinsam die Bedeutungen zu vertiefen, sind sie selbstgefällig und unbefruchtet geblieben. Beide haben unter dem Siegeszug der dritten Tradition, nämlich der Wissenschaft, gelitten, weil keine von beiden mehr über die erforderliche Anpassungsflexibilität verfügte. Whithead - Wie entsteht Religion? - S. 108,109
Die Welt ist gleichzeitig ein vergänglicher Schatten und eine endgültige Tatsache. Der Schatten geht über in die Tatsache und wird so konstitutiv für sie; und doch liegt die Tatsache dem Schatten voraus. Dem wirklichen Vergehen wirklicher Dinge geht ein Himmelreich voraus, und dasselbe Himmelreich erlangt seine Vervollständigung durch den Vollzug dieses Übergangs. Aber wie das Himmelreich die natürliche Welt transzendiert, so transzendiert diese Welt das Himmelreich. Denn die Welt ist schlecht, und das Reich ist gut. Das Reich ist in der Welt und doch nicht von dieser Welt. Die wirkliche Welt, die Welt des Erfahrens, des Denkens und der physischen Aktivität, ist eine Gemeinschaft aus vielen verschiedenen Einzelwesen; und diese Einzelwesen tragen etwas zum gemeinsamen Wert der gesamten Gemeinschaft bei oder schaden ihm. Gleichzeitig sind diese wirklichen Einzelwesen selbst ihr eigener Wert für sich, sie sind individuell und voneinander trennbar. Sie tragen zum gemeinsamen Vorrat bei und leiden doch für sich. Die Welt ist eine Bühne des Solitärseins in der Gemeinschaft. Die Individualität der Einzelwesen ist ebenso wichtig wie ihre Gemeinschaft. Das Thema der Religion ist Individualität in der Gemeinschaft. Whithead - Wie entsteht Religion? - S. 68
WELT
Als „subjektives Ziel“ bezeichnet Whitehead die Finalursache eines wirklichen Einzelwesens. Diese bestimmt zusammen mit den Erfassungen der reinen Daten als Wirkursache die Form des wirklichen Einzelwesens. Das subjektive Ziel bildet den Charakter des wirklichen Einzelwesens und kann somit nicht durch dieses selbst bestimmt sein. Um die Konsistenz des metaphysischen Ansatzes zu wahren, muss das Ideal jedes subjektiven Zieles demnach außerhalb liegen, wobei wiederum nur ein weiteres wirkliches Einzelwesen in Betracht kommt. Dieses spezielle wirkliche Einzelwesen muss alle Möglichkeiten zeitloser Gegenstände in sich vereinen und ebenso in die (begriffliche) Erfassung jedes anderen wirklichen Einzelwesens eingehen. Seine Existenz und Charakterisierung ist somit eine direkte Folge der ontologischen Struktur der organismischen Philosophie. Whitehead nennt dieses wirkliche Einzelwesen Gott. Gott umfasst somit alle zeitlosen Objekte und ermöglicht so eine Ordnung im Werden. Gleichzeitig geht er aber auch als wirkliches Einzelwesen in jede konkrete Erfahrung ein. Er ist damit bei Whitehead sowohl immanent als auch transzendent; transzendent als die Gesamtheit der Möglichkeiten, die den Wirklichkeiten gegenübergestellt sind, immanent als Teilhabe am Prozess der Wirklichkeit. Somit ändert sich Gott auch, indem er auf die Wirklichkeit bzw. die realisierte Auswahl der Möglichkeiten reagiert. Der Gott Whiteheads ist somit ein werdender Gott. Insofern gibt er auch keine finale Ordnung vor, sondern nur Ideale in einem pulsierenden Universum, in dem Ordnung und Chaos, Werden und Vergehen die wirkliche Natur ausmachen. Und Gottes Macht ist die Macht der Überredung, nicht des deterministischen Zwanges. Das „subjektive Ziel“ der wirklichen Einzelwesen ist von Gott beeinflusst, aber nicht bestimmt. Somit gibt es bei Whitehead auch kein eigenständiges göttliches Prinzip. Dieser Umstand wird oft als einer der wichtigsten Unterschiede zu konventionell theologischen Gottesbegriffen angesehen. Quelle: Wikipedia
GOTT
POET DER WELT
G=TT
=OTT GO=T GOT=
G  O  T  T
DER GRUNDLOSE GRUND FÜR DEN WELTPROZESS
TRANSZENDENZ
Grenzen der Rationalität
Unbegrenzte Möglichkeiten
VERHÄLTNIS GOTT - WELT / WELT - GOTT
GOTTES EINHEIT - ABSOLUTHEIT - VOLLKOMMENHEIT WELTEN IN VIELHEIT
Panthetismus
GOTTES EINHEIT - ABSOLUTHEIT - VOLLKOMMENHEIT NOTWENDIG - VOLLKOMMEN WELTEN IN VIELHEIT
Klassischer, platonisch/aristotelischer Theismus
K ONTINGENT - RELATIV GOTTES EINHEIT - ABSOLUTHEIT - VOLLKOMMENHEIT
Monismus
WEDER NOTWENDIG - NOCH VOLLKOMMEN GOTTES EINHEIT - ABSOLUTHEIT - VOLLKOMMENHEIT
Panentheismus
WELTEN IN VIELHEIT TEILK ONTINGENT - TEILRELATIV
Atheismus
Der dreifaltige kreativen Akt (threefold creative act) 1. Der Akt der einen unendlichen konzeptionellen Realisierung. 2. Die vielfältige Solidarität freier physischer Realisierungen in der zeitlichen Welt. 3. Die letztendlichen Einheit der Vielfalt wirklicher Fakten mit dem ursprünglichen konzeptionellen Faktum. Die Vermittlung des ersten mit dem dritten Akt ist geprägt durch die Geduld Gottes, „die den Aufruhr der dazwischenliegenden Welt durch die Vervollkommnung mit seiner eigenen Natur zärtlich rettet. „Die schiere Kraft der Dinge liegt im dazwischenliegenden physischen Prozess: das ist die Energie physischer Produktion. Gottes Rolle ist nicht der Kampf produktiver Kraft mit produktiver Kraft oder destruktiver Kraft mit destruktiver Kraft; sie liegt in der geduldigen Ausübung der überwältigenden Rationalität seiner konzeptionellen Harmonisierung. Gott schafft nicht die Welt; er rettet sie: oder genauer, er ist der Poet der Welt, sie mit zärtlicher Geduld durch seine Vision von Wahrheit, Schönheit und Güte leitend." („Process and Reality“ - S. 346)
Die Entstehung von Gewalt in der Religion wird durch ihre Verquickung mit politisch-nationalistischen Strömungen, wegen der „morbiden Übertreibung von nationalem Selbst-Bewusstsein", wegen der (damit verbundenen) „dogmatischen Intoleranz" ihrer Lehren und vor allem: der Entstehung eines simplen Konzepts einer weltjenseitigen, willkürlichen Transzendenz Gottes hervorgerufen. Der ontotheologische, nicht-relationale Substantialismus in Politik, Religion und Theologie verwandelte das „Evangelium der Liebe" in ein „Evangelium der Angst" und Gott in ein „erschreckendes" Konzept, das nur der Untermauerung der Macht seiner Vertreter dient. Als das Christentum in der westlichen Welt akzeptiert wurde, „eroberte Caesar" und die von „seinen Anwälten" entworfene Theologie der politischen Legitimation von herrschaftlicher Gewalt das Feld. Die „tiefere Idolatrie", die in ihr steckt, war, dass sie Gott „nach dem Bild der ägyptischen, persischen und römischen imperialen Herrscher gestaltete: „Die Kirche trat die Attribute, die alleine Caesar gehörten, an Gott ab". So konnte Gott in der dreifachen Gestalt des „imperialen Herrschers", der „Personifikation moralischer Energie" und als „letztendliches metaphysisches Prinzip" erscheinen. Das Christentum habe in seiner Theologie die herrschaftliche Analogie übernommen, in der Gott zur ganzen Welt „in derselben Relation steht ... wie frühe ägyptische oder mesopotamische Könige zu deren beherrschtem Volk". Das daraus resultierende onto-theologische Konzept von Gott als „eine absolute, omnipotente, allwissende Quelle allen Seins, die für ihre eigene Existenz keiner Relation jenseits ihrer selbst bedarf", war eine Gewaltapotheose, eine „Sublimierung ihres barbarischen Ursprungs". Die Prozesstheologie folgt dieser Dekonstruktion der Onto-Theologie als Ausdruck struktureller Gewalt: Kaum ein prozesstheologischer Entwurf, der sich nicht gegen die organisierte Fundierung von Willkürmacht und die Gewalt der Unterdrückung richtet, die archetypisch in jenem Gotteskonzept steckt, das sich der Gestalt des „transzendenten Schöpfers" folgt, und die dagegen nicht eine Theologie der Gewaltlosigkeit in der Gegenmetapher der theopoetischen Differenz formuliert hätte. Whitehead kennt vor allem drei Ressourcen für eine theopoetische Dekonstruktion des ontotheologischen, nicht-relationalen Gewaltregimes: eine philosophische - die platonische Konzeption Gottes als ideelle Kraft -‚ eine religiöse - die Person und Botschaft Jesu -‚ und eine theologische - die altchristliche Trinitätslehre. Alle drei Momente erschließen jene relationalen Kategorien, die eine gewalt-kritische Schöpfungstheologie auszeichnen sollten:
Whitehead sah in der Gestalt Jesu nicht weniger als die religiöse Erfüllung eines gewaltlosen Gottes und eine konkrete Kritik jedes Gewaltanspruchs jenseits hingebender Liebe. In Zentrum von Jesu Geschick standen die Auseinandersetzung mit illegitimer Gewalt und die Reaktion auf diese Gewalt: das Erleiden von Gewalt und die Macht der Liebe. Seine Botschaft war „Friede, Liebe und Mit- Leiden". Wenn die Essenz des Christentums in nichts anderem besteht als darin, dass das „Leben Christi die Offenbarung der Natur Gottes und seines Wirkens in der Welt" ist, dann gehört es nicht in die drei onto-theologischen Traditionen vom „herrschenden Caesar, dem unbarmherzigen Moralisten und dem unbewegten Beweger", sondern baut „auf die zarten Elemente in der Welt, die langsam und in Stille durch Liebe handeln. In Jesus manifestiert sich die Natur Gottes als Liebe, und Gottes Handeln ist durch sie bestimmt. Die gewaltfreie Kraft der überzeugenden Idee, der Gewaltverzicht zärtlicher Liebe und die Gewaltabwehr kommunikativer Immanenz bestimmen Whiteheads Verständnis von Gottes Schöpfungsmacht: Sie offenbaren Gottes Wesen (Kommunikation) und Natur (Konkreszenz) als Ausdruck einer Notwendigkeit. Gott „entscheidet" nicht, auf Gewalt zu verzichten, nicht zu herrschen; Gott ist prinzipiell nicht-herrschend, nicht-gewalttätig, nicht- zwingend.
JESUS
RELIGION & GEWALT
Eigene Zeichnung 1981
MENTALER POL PHYSISCHER POL
FOLGENATUR
URNATUR
EREIGNISSE
(logos - eros)
(pneuma)
pleroma Christus
Jesus
vergangene
- göttliche Selbst-Transzendenz als selbstlose Liebe - Selbst-Offenbarung der Natur Gottes - Inkarnation um die Verweigerung der Beziehung zu Gott (Sünde) aufzubrechen ohne Zwang in Form von Glaube und Umkehr - Aufbrechen des gewalttätigen Kreislaufs des sündigen Selbstbesitzes (agape)
Jesus als Person - verwandelt in Selbst-Transzendenz die anfänglichen Ziele seines Nexus - in subjektive Ziele seines „Sohn-Seins“, - unterbricht das Kontinuum der Sünde, - manifestiert den Logos als erlösende Ereignis des anfänglichen Ziels
SUPERJEKTIVE NATUR
zukünftige EREIGNISSE
„ZEIT“ IN GOTT
GESCHEHEN IN DER ZEIT
ZEIT IN DER WELT
KREATIVITÄT
Geschöpfliche Zeit In der Welt wirkt die Vergangenheit auf die Gegenwart eines Ereignisses, um darin eine Zukunft zu finden. Die äußere physikalische Zeit schlägt in die Innere der Mentalität um.
Schöpferische Zeit Gott ist Quelle der Zeit Gott ist Entgrenzung der Zeit Gott ist Ziel der Zeit. In Gott wirkt die Zukunft in die Vergangenheit um in Gottes Folgenatur hinein zu vergehen. Die „Zeit in Gott“ schlägt in die „Welt-Zeit“ um, doch er nimmt zugleich die Welt immerwährend in seine „Zeit“ auf. Gott geht den Ereignissen in der Welt bis in ihr Vergehen nach, um sie in seine „Gegenwart" hinein zu retten.
GOTT
UNSTERBLICHKEIT
„In der prozessphilosophischen Konzeption der Seele, in der sich die Seele als personaler lebender Strang von Ereignissen darstellt, scheint es zumindest denkbar, dass abgeschlossene Augenblicke wieder reaktuiert werden, ohne dass der gegenwärtige Bewusstseinsakt davon eine Erfahrung haben müsste.“ „In der zeitlichen Welt erfahren wir nach Whitehead ja nur die Urnatur Gottes als Inbegriff der Möglichkeiten zur Bestimmung einer aktualen Entität, während unser Bewußtsein keine Erfahrung von der Folgenatur hat, in der ja dann die in der Welt vergangenen Bewusstseinsprozesse aufgehoben sind.“ Müller, Tobias - Gott, Welt, Kreativität - S. 280
SEELE
Gott ist der ideale Begleiter. Er verwandelt das, was verloren war, in seiner eigenen Natur in ein lebendiges Geschehen.
Gott ist der „Spiegel, der jedem Geschöpf seine eigene Größe enthüllt.
KONKRESZENZ Bezeichnet den Aktualisierungsprozess einer aktualen Entität. Durch den mentalen Pol erhält die aktuale Entität ihre finalursächliche Bestimmtheit. Gott gilt als der unbedingte Ermöglichungsgrund.
ENTITÄT Zum einen bezeichnet [der Grundbegriff] etwas, das existiert, ein Seiendes, einen konkreten oder abstrakten Gegenstand. In diesem Sinn wird der Begriff der Entität in der Regel als Sammelbegriff verwendet, um so unterschiedliche Gegenstände wie Dinge, Eigenschaften, Relationen, Sachverhalte oder Ereignisse auf einmal anzusprechen. Dies ist die im zeitgenössischen Sprachgebrauch gängige Verwendung. Quelle: Wikipedia
PREHENSIONEN Positive Prehensionen (Fühlungen). Physischer Pol: Das Fühlen verobjektivierter Entitäten wird auch physische Fühlungen genannt. Mit ihnen fließen die wirkursächlichen Daten der Welt in das Subjekt ein. Mentaler Pol: Die finale Ausrichtung auf ein subjektives Ziel - auf einen einfachen oder komplexen Gegenstand - wird "begriffliches Fühlen" (conceptual prehensions) genannt. Keiner aktualen Entität fehlt einer dieser Pole. Jeder Wirklichkeit hat eine Beziehung zu beiden Polen. Der Übergang vom anorganischesn zum bewußten Leben geschieht graduell in die Entitäten. Die fortschreitende Integration zu einer komplexen Fühlung wird erreicht, indem das subjektive Ziel die subjektiven Formen so abstimmt, dass am Ende das angezielte Superjekt entsteht.
BEGRIFFE
Die abstrahierende Begriffsbildung ist der Versuch, in der ungeheuren Komplexität der Wirklichkeit konkrete Tatsachen auszumachen. Sie ermöglicht es Zusammenhänge herzustellen und neue Wirklichkeiten zu denken. Sie können Orientierung geben für menschliches Handeln und damit in den Prozeß der Geschichte einwirken. Aber auch sie unterliegen der Prozeßhaftigkeit.
DIE PHILOSOPHISCHE GOTTESFRAGE „Auf hohem Niveau vollzieht sich diese Wiederkehr der philosophischen Kosmologie in der durch A. N. Whithead grundgelegten Process Philosophy'und den an sie heute anschließenden Prozess-Theologien. Der entscheidende Gedanke, der auch den kritischen Unterschied zur klassischen Metaphysik und Gotteslehre von Aristoteles bis Thomas ausmacht, ist, dass in dieser Konzeption die Ursache vom Verursachten nicht unberührt bleibt, dieses auf jenes zurückwirkt und so die Ursache kraft ihres Verursachens sich selbst in eine es verändernde Geschichte verstrickt. Das erlaubt dann, in der Perspektive philosophischer Theologie von einem In-Sein der Dinge in Gott zu sprechen, ohne die Differenz zwischen beiden einzubeziehen. Der ganze Komplex wird in jüngster Zeit unter dem aus der protestantischen Theologie des 19. Jahrhunderts stammenden Titel des „Panentheismus" diskutiert und scheint mir ein besonders aussichtsreicher Beitrag im derzeitigen Streit um Gottesbilder zu sein.“ Klaus Müller - Glauben-Fragen-Denken, Band I. S. 296
EINORDNUNGEN
LITERATUR Rohmer, Stascha: Whiteheads Synthese von Kreativität und Rationalität. Freiburg 2000. Hampe, Michael: Alfred North Whitehead. München 1998. Hauskeller, Michael: Alfred North Whitehead zur Einführung. Hamburg 1994. Holzhey, Helmut u.a. (Hg.): Natur, Subjektivität, Gott. Zur Prozeßphilosophie Alfred N. Whiteheads. Frankfurt am Main 1990. Wolf-Gazo, Ernest (Hg.): Whitehead. Einführung in seine Kosmologie. Freiburg/München 1980. Cobb, John/Griffin, David R.: Prozeßtheologie. Eine einführende Darstellung. Göttingen 1979.