HOFGARTEN
Die Modedesignerin Ayzit Bostan und der Fotograf Gerhardt Kellermann brachten Bewegung in die Arkadengänge des Hofgartens . Die Vorhänge ähneln jenen auf dem Markusplatz in Venedig. (Juli 2012)
Gedichte von Wilhelm Müller, die Franz Schubert in seiner Winterreise vertonte Gute Nacht Fremd bin ich eingezogen, Fremd zieh ich wieder aus. Der Mai war mir gewogen Mit manchem Blumenstrauß. Das Mädchen sprach von Liebe, Die Mutter gar von Eh' - Nun ist die Welt so trübe, Der Weg gehüllt in Schnee. Ich kann zu meiner Reisen Nicht wählen mit der Zeit: Muß selbst den Weg mir weisen In dieser Dunkelheit. Es zieht ein Mondenschatten Als mein Gefährte mit, Und auf den weißen Matten Such ich des Wildes Tritt. Was soll ich länger weilen, Daß man mich trieb' hinaus? Laß irre Hunde heulen Vor ihres Herren Haus! Die Liebe liebt das Wandern, Gott hat sie so gemacht - Von einem zu dem andern - Fein Liebchen, gute Nacht! Will dich im Traum nicht stören, Wär' schad' um deine Ruh', Sollst meinen Tritt nicht hören - Sacht, sacht die Türe zu! Ich schreibe nur im Gehen An's Tor dir gute Nacht, Damit du mögest sehen, Ich hab' an dich gedacht.
Erstarrung Ich such' im Schnee vergebens Nach ihrer Tritte Spur, Hier, wo wir oft gewandelt Selbander durch die Flur. Ich will den Boden küssen, Durchdringen Eis und Schnee Mit meinen heißen Thränen, Bis ich die Erde seh'. Wo find' ich eine Blüthe, Wo find' ich grünes Gras? Die Blumen sind erstorben, Der Rasen sieht so blaß. Soll denn kein Angedenken Ich nehmen mit von hier? Wenn meine Schmerzen schweigen, Wer sagt mir dann von ihr? Mein Herz ist wie erstorben, Kalt starrt ihr Bild darin: Schmilzt je das Herz mir wieder, Fließt auch das Bild dahin.
Der Lindenbaum Am Brunnen vor dem Thore, Da steht ein Lindenbaum: Ich träumt' in seinem Schatten So manchen süßen Traum. Ich schnitt in seine Rinde So manches liebe Wort; Es zog in Freud' und Leide Zu ihm mich immer fort. Ich mußt' auch heute wandern Vorbei in tiefer Nacht, Da hab' ich noch im Dunkel Die Augen zugemacht. Und seine Zweige rauschten, Als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, Hier findst du deine Ruh'! Die kalten Winde bliesen Mir grad' in's Angesicht, Der Hut flog mir vom Kopfe, Ich wendete mich nicht. Nun bin ich manche Stunde Entfernt von jenem Ort, Und immer hör' ich's rauschen: Du fändest Ruhe dort!
Letzte Hoffnung Hie und da ist an den Bäumen Manches bunte Blatt zu sehn, Und ich bleibe vor den Bäumen Oftmals in Gedanken stehn. Schaue nach dem einen Blatte, Hänge meine Hoffnung dran; Spielt der Wind mit meinem Blatte, Zittr' ich, was ich zittern kann. Ach, und fällt das Blatt zu Boden, Fällt mit ihm die Hoffnung ab, Fall' ich selber mit zu Boden, Wein' auf meiner Hoffnung Grab.
Täuschung Ein Licht tanzt freundlich vor mir her, Ich folg' ihm nach die Kreuz und Quer; Ich folg' ihm gern und seh's ihm an, Daß es verlockt den Wandersmann. Ach, wer wie ich so elend ist, Gibt gern sich hin der bunten List, Die hinter Eis und Nacht und Graus Ihm weist ein helles, warmes Haus Und eine liebe Seele drin - Nur Täuschung ist für mich Gewinn!
MÜNCHEN
Weiße Rose Denkmal
IMPRESSIONEN
Wilhelm Hausenstein Tutzing, z. März 1943 „Nach vielen Besorgungen -man bemüht sich, noch einiges Dringendes zu kaufen, ehe die Geschäfte geschlossen werden - mit Margot sehr ermüdet in den Hofgarten gegangen und ein wenig darin hin- und herspaziert, die Pakete unterm Arm, das Brotnetz (mit acht Pfunden Brot für die Woche) in der Hand. Das Licht, in letzter Zeit über München immer besonders köstlich, ein goldenes Abendrosa, wie Corot es liebte, verzauberte den Garten zu seiner schönsten Wirklichkeit. Die Residenzfront, vom seitlichen Licht (aus Westen) berührt, stellte sich dar wie ein Säulenbau von Palladio. Die simplen Arkaden, hinter dem grauen Gitterwerk der nackten Zweige und Äste, haben mir die reine Schönheit ihrer Bogenbewegung, die wie ein nobles Fortschreiten ist, überhaupt noch nie so zum Bewußtsein gebracht wie heute. Nun bin ich fast auf den Monat vierzig Jahre in München und habe doch erst jetzt gesehen, wie schön die Arkaden sind, die doch je und je meinem Herzen nahe waren (und über denen ich einmal -1920- mit Margot gewohnt habe). Wir waren gekommen, die ersten Frühlingsblumen zu sehen. Schneeglöckchen standen in dichten kleinen Gruppen allenthalben in den noch falben Rasenflächen; ein Archipel nahe dem andern; sah man über das Ganze hin, so schien der Hofgarten von diesen Inselchen und Inselgruppen überhaupt bestimmt - das heißt: der Boden. Wir waren sehr glücklich, empfanden dankbar das Gehege der warmen Luft und einer reinen Zivilisation, das den Hofgarten ausmacht. Verstimmend war eine Weile wieder der unmögliche Kuppelbau des Armeemuseums, allein das Behagen an einer Situation, die uns davon absehen ließ, war stärker. Wir traten am Tor zur Galeriestraße ins Freie, um an dem Gartenhang gegenüber wie jedes Jahr nach der Stelle zu sehen, an welcher die Frühlingsblumen am üppigsten sprießen. Aber es gab da einstweilen erst auch nur Schneeglöckchen, dazwischen einen einzigen weißen Krokus, keinen lila und keine gelben Märzenbecher. I[…] Die Ludwigstraße hatte einen herrlichen Abend. Wir sahen durch die noble Perspektive hin, als könnte es immerhin ein Abschied sein. Nach den letzten Luftattacken auf Berlin, Köln und andere Städte, von denen einige nachgerade in den Zustand der Ruine übergehen, ist es natürlich, daß man seine eigene Stadt (und so dürfen wir München bis zu einem gewissen Grade ja nennen) mit dem Gefühl betrachtet: werde ich dich wiedersehen? Der Abbau der Läden beginnt evident zu werden. Die Leute merken es sehr, wenn sie durch die Straßen gehen, und schauen nicht heiter drein - beileibe nicht. Der Himmel heute nacht rundum im Horizont um Tutzing stark angeleuchtet, mehr wie sonst (nur im Osten oder Südosten nicht). Man meint, eine stärkere Spannung der Erwartung von bitteren Möglichkeiten zu verspüren. Unser Haus ist vor sieben Jahren abgebrannt. Gott weiß, ob es auch noch den Krieg wird über sich ergehen lassen müssen. Dann wäre unserem Leben eigentlich keine schlimme menschliche Möglichkeit erspart geblieben. Der Herr behüte das Haus und uns!“ Wilhelm Hausenstein, „Liebe zu München“, S. 103, 104, 104