CARL AMERY
Rebell, Sprachspieler und Aufklärer
Ein Visionär, Rebell, Sprachspieler, Links-Katholik, bayerischen Weltbürger,
Aufklärer und ökologischen Vordenker, den ich bei einer Reihe
von Diskussionen erleben durfte.
EXPERIMENTE ZUR GESTALTWERDUNG
Hier lebte Carl Amery:
Drächslstraße (Au)
Es wird uns aufgehen, das Licht aus der Höhe,
damit es denen erscheint,
die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes.
EXPERIMENTE ZUR GESTALTWERDUNG
Die Hoffnung auf die Erlösung der Welt
In der Maria-Hilf-Kirche in der Au (6.6.) wurde das Requiem für Christian Mayer (Carl Amery) gefeiert.
Die Lesung - vorgetragen von seinem Sohn - bezog sich auf den Römerbrief:
Die Hoffnung auf die Erlösung der Welt
18 Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns
offenbar werden soll.
19 Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes.
20 Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat;
aber zugleich gab er ihr Hoffnung:
21 Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder
Gottes.
22 Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.
23 Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit
der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden.
24 Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann
man auf etwas hoffen, das man sieht?
25 Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld.
26 So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen;
der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können.
27 Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein.
28 Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen
sind;
29 denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes
teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei.
30 Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber
gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.
In der Predigt bezog sich der Pfarrer auf Amerys Buch "Die Botschaft des Jahrtausends - Von Leben, Tod und
Würde".
Dort schreibt Amery:
"Aber Religion beginnt erst da, wo [die] Einsichten in Schuld und Last nicht mehr als Minderung, sondern als Mehrung
unserer Menschlichkeit empfunden werden; wo sie uns ... eine Souveränität geben, die unter der alten Todespanik ...nie und
nimmer zu erreichen ist. Das Wissen, daß man nicht Krone der Schöpfung ist, aber auch das Wissen, daß man eben wegen
dieses Wissens sich von allen anderen Lebewesen unterscheidet, ist der unerhörte Kreuzungspunkt von Souveränität und
Demut, der der zeiträumlichen Ort zukünftiger Religiosität sein muß."
Begeleitet wurde das Requiem von Gospelgesängen des Helena Gospel Spirit Chors und beendet mit dem Lied "Down by the
riverside". Dieser Song, der heute meist nur als Gassenhauer wahrgenommen wird, drückt die Sehnsucht aus, nach dem
harten Kampf des Lebens zur Ruhe zu kommen: "Ich werde mein Schwert und mein Schild niederlegen am Ufer des Flusses
(des Jordan, der den Übergang aus dem Leben zum Leben bedeutet) und ich werde nicht mehr auf den Kampf sinnen."
Einen guten Übergang, Carl Amery!
Das Elend der Größe - " Klein-Sein oder Nicht-Sein“, das ist die Frage - Das Große hat keine
Überlebenschance"
In dieser Zeit des Gigantomanismus ist es an der Zeit sich wieder an Leopold Kohr und E.F. Schuhmacher zu
erinnern, wie auch an den kürzlich verstorbenen Carl Amery (er wurde am 30. Mai 2005 am Münchner
Ostfriedhof im engsten Familienkreis beigesetzt). Alle waren Denker des menschlichen Maßes.
"Leopold Kohr, "stille Weise" aus der Salzburger Stille-Nacht-Gemeinde Oberndorf an der Salzach, ist nicht unter
die prominentesten, aber unter die wichtigsten Denker des 20. Jahrhunderts einzureihen. Und seine Ideen und
Lehren gewinnen von Tag zu Tag an Aktualität und Brisanz. Das Große, das Monumentale, die heute so
wirkmächtige Gigantomanie hat er immer skeptisch betrachtet. Er hat den vom heutigen Casino-Kapitalismus
geförderte Wachstumsfetischismus schon früh als Gefahr erkannt und die Rückkehr zu kleinen, überschaubaren
Einheiten, zum menschlichen, zu rechten Maß propagiert.
Alle Formen des Elends haben in der Größe ihre Ursache. Was immer eine gewisse Größe, Masse oder Menge
überschreitet, kippt ins Schlechte, macht Medikamente zu Gift, Demokraten zu Tyrannen, Wachstum zu Krebs,
Friedvolle zu Kriegshetzern.
Mit seiner Philosophie des "small is beautiful", die Fritz Schumacher und Ivan Illich populär gemacht haben,
beeinflusste er das Denken und Handeln der großen Alternativgestalten der vergangenen Jahrzehnte und so stößt
man überall auf der Welt, wo die Vordenker und Pioniere eines nachhaltigen, also zukunftsfähigen Wirtschaften
und Lebens in den Blick kommen, schnell auf die Ideenwelt des Leopold Kohr.
EXPERIMENTE ZUR GESTALTWERDUNG
LINKSKATHOLIK
In der Süddeutschen Zeitung vom 3. April 2002 schrieb Amery einen Artikel zum Thema:
"Warum wir eine mutige Kirche bräuchten".
Hier Auszüge aus seinem Artikel:
"TINA
(There
Is
No
Alternative)
ist
die
Formel,
die
heute
von
Francis
Fukuyama
und
allen
Wirtschaftsjournalisten
in
die
Welt
posaunt
wird.
Hinter
der
scheinbaren
Toleranz
dieses
Marktes,
von
Sekten
und
Event-Kirchen
jeder
Art
begrüßt,
entwickelt
sich
allerdings
eine
totalität
Seelsorge,
die
man
gemeinhin
als
Konsumismus
bezeichnet.
Hier
liegt der zentrale Sorgenpunkt der Kirchen. ...
Das
also
ist
der
Tatbestand:
Die
traditionellen
Kirchen
stehen
einer
Zentralmacht
gegenüber,
für
die
der
alte
konstantinische
Pakt
zwischen
Thron
und
Altar
nichtssagend
geworden
ist.
Solange
die
TINA-Formel
anerkannt
wird
und
solange
der
Markt
seine
Seelsorge
unbekümmert
betreiben
kann,
sollen
die
Kirchen
ruhig
als
Teil
des
Kulturbetriebs
weiterwursteln.
Und
der
Markt
kann
davon
ausgehen,
dass
weniger
schwierige,
mit
stärkeren
Drogen angereicherte Kulte die alten Traditionen überflügeln und überflüssig machen werden."
„Gerade
wird
der
"Fußballtempel",
der
brodelnde
"Hexenkessel",
die
Allianz-Arena
im
Münchner-
Norden
eingeweiht und die Vertreter der Kirchen dürfen kurze himmlische Weiheformeln sprechen.“
"Was
ist
also
zu
tun?
Die
schlichte
Wahrheit
lautet,
dass
die
Verkündigung
kraftlos
bleiben
wird,
wenn
sie
nicht
den
einen
Schwerpunkt,
die
entscheidende
Blindheit
des
fundamentalistischen
Marktes,
aufdeckt
und
bekämpft:
seine
Unfähigkeit
zur
Zukunft.
[…]
Alle
Parameter
deuten
darauf
hin,
dass
es
[dem
totalen
Markt]
unmöglich
sein
wird,
eine
Methode
zur
Rettung
der
Lebenswelt
zu
finden
-
schon
weil
seine
Theologie,
die
zukünftig
eingespielte
Wirtschaftswissenschaft,
außer
Stande
ist,
ein
plausibles
Schrumpfungsmodell
zu
entwerfen.
Artensterben,
Klimawechsel,
Erschöpfung
der
Bodenfruchtbarkeit,
demographische
Entwicklung:
Die
blutige
Ironie
ist,
dass
der
Totale
Markt
auch
für
diese
äußersten
Wahrscheinlichkeiten
keine
Alternative
anzubieten
hat.
Seine
finale
Logik
ist
die resignative Akzeptanz, wenn nicht der Heroismus des kollektiven Selbstmords.
Hier
wird's
für
die
Kirchen
als
die
ältesten
Hüter
der
judäisch-christlichen
Perspektive,
die
Verkünderinnen
verbürgerter
Hoffnung,
äußert
interessant:
....sind
die
Kirchen
dann
nicht
aufgerufen,
hier
nicht
nur
zu
warten,
sondern
aktiv
zu
widerstehen?
Oder
verharren
sie
dabei,
"Heils"-Geschichte
abgehoben
von
Lebens-
und
Naturgeschichte
zu
verkünden?
Zumal
dann,
wenn
die
Reichsreligion,
also
der
Totale
Markt
und
seine
Seelsorge,
so
offensichtlich
auch
zur
Verwüstung
der
Seelenlandschaften,
zum
klaffenden,
zynischen
Unrecht
zwischen
Arm
und Reich führt?"
„Da
könnte
-
von
der
Analyse
her
-
sein
bayerischer
Landsmann,
Papst
Benedikt,
sicher
zustimmen.
Aber
wie
wird
und
könnte
er,
ohne
zum
Politiker
zu
werden,
diesen
Entwicklungen
Widerstand
entgegensetzen?
Es
gibt
doch
in
der deutschen Kirche (Sozialwort der Kirchen - Katholische Soziallehre) wichtige Grundlagenarbeiten.“
Amery fährt weiter fort:
"Friede,
Gerechtigkeit
und
Bewahrung
der
Schöpfung"
-
in
diesem
Leitwort
des
sogenannten
konziliaren
Prozesses
haben
[hunderttausend
christlicher
Aktivisten]
sich
zu
ökumenischer
und
zivilgesellschaftlicher
Aktion
zusammengefunden:
ATTAC
wird
vom
Ökumensichen
Rat
der
Kirchen
unterstützt
und
wurde
von
der
katholischen
Pax
Christi
mitbegründet;
und
der
Kardinal
Tettamanzi
zog
schon
eine
Woche
vor
dem
berüchtigten
Gipfel
mit
seinen
jungen
Freunden
durch
Genua,
mit
genau
den
Forderungen,
die
dann
von
der
Internationale
der
Globalisierungskritiker erhoben wurden."
„Es
ist
mein
Eindruck,
dass
an
der
Basis
und
in
den
gelebten
kirchlichen
Lebenswirklichkeiten
die
Ökumene
schon
weit fortgeschritten ist.“
Amery
empfiehlt
den
Kirchen
"aufzustehen
und
wieder
ein
Zeichen
unter
den
Völkern
zu
werden
und
dem
zynisch
akzeptierten,
als
alternativlos
verkündeten
Untergang
die
Stirn
zu
bieten.
...
Dass
die
christliche
Botschaft
der
Evangelien
und
der
authentischen
Paulusbriefe
nicht
anderes
waren,
ist
kaum
zu
leugnen
-
auch
wenn
der
riesige
Block
der
Jahrtausende
seit
Konstantin
uns
lange
genug
getrennt
hat.
Das
Christentum
wird
dann
auch
für
das naive Auge klar erkennbar sein, weil es seine "Kernkompetenz" wieder gefunden hat.
DAS GEHEIMNIS DER KRYPTA (1990)
Carl
Amery,
Sohn
eines
Münchner
Gymnasiallehrers
und
Historikers,
gilt
als
Vordenker
der
ökologischen
Bewegung
in
Deutschland.
Am
9.
April
2022
wäre
er
100
Jahre
geworden.
Eigentlich
heißt
er
Christian
Mayer,
legte
sich
auf
Rat
des
Verlegers
Berthold
Spangenberg
aber
den
Autorennamen
Carl
Amery
zu.
Wie
Heinrich
Böll
gehörte
er
zu
den
links
denkenden
Katholiken.
Nach
dem
Krieg
wurde
er
zur
Gruppe
47
eingeladen.
Von
1989
bis
1991
war
Carl
Amery
Vorsitzender
des
deutschen
PEN-Zentrums.
15
Jahre
seines
Lebens
hat
er
in
der
Bischofsstadt Freising verbracht.